Skip to content

2013: Susanne Wegner – Erinnerungsort Stimme: der AUDIOWEG GUSEN

csm_Gusen_243316e3c1

Masterarbeit, 2013
Medienkultur- und Kunsttheorien

Datum der Approbation: 16. Oktober 2013
Betreuung: Ass.-Prof. Dr.phil. Angela Koch

In der deutschsprachigen Holocaust-Gedenklandschaft haben ZeitzeugInnen eine bedeutende Rolle inne. Sie treten vorzugsweise in Videos in Erscheinung, da dieser Darstellungsform ein großes Potential beigemessen wird: Sie  vermitteln historische Fakten zu KZ-Objekten, die meist im Anschluss zu besichtigen sind, und beglaubigen diese zugleich.

Wie ist in diesem Kontext ein Projekt zu bewerten, das eine andere Darstellungsform wählt – nämlich den iPod und ausschließlich diesen? An einem Ort, an dem es weder eine Gedenkstätte noch sichtbare Relikte gibt? Der AUDIOWEG GUSEN, der seit 2007 in der oberösterreichischen Gemeinde Langenstein existiert, trifft genau auf diese Lage. Das Kunstprojekt von christoph mayer chm funktioniert allein über O-Töne von Überlebenden, TäterInnen und BewohnerInnen. Über den Kopfhörer führt er BesucherInnen durch die Konzentrationslager Gusen I und II. Doch sind die Spuren dieses Geschichtskapitels fast vollständig ausgelöscht. Das ehemalige Areal, auf dem mehr als 37.000 Menschen ermordet wurden, ist einem beschaulichen Wohngebiet gewichen.

Diese unfassbare Ausgangslage ist zugleich die Stärke des AUDIOWEG GUSEN – so lässt sich die zentrale These der Masterarbeit zusammenfassen, die das Kunstprojekt untersucht. Der Audioguide mit den aufgespielten ZeugInnen-Stimmen eröffnet ein mobiles Theater, das eine andere Aufmerksamkeit einfordert, als die übliche ZuschauerInnenschaft, die sich hauptsächlich am Auge orientiert. Der Akt der Wahrnehmung, der sich in Gusen über das Ohr herstellt und eigene Bilder provoziert, ist ein ethischer Akt des Bezeugens: Er fordert die BesucherInnen auf, sich mit dem Ort, seiner (Nach-)Geschichte und der eigenen Rolle darin auseinanderzusetzen. Der AUDIOWEG GUSEN wird dabei zur dynamisch-performativen Schablone, die es ermöglicht, die damaligen Erlebnisse der ZeugInnen nachzuempfinden und zeitgleich zu beobachten, wie die heutigen BewohnerInnen mit der Erinnerung umgehen. Dieser Akt der „Sichtbarmachung“ beschränkt sich nicht nur auf die BesucherInnen. Sie zeigt sich auch bei den BürgerInnen, die den Hörweg zufällig kreuzen. Der Kopfhörer setzt so ein Gedenken in Gang, das weder räumlich noch inhaltlich an eine Gedenkstätte gebunden ist. Viel mehr weckt er eine neuartige Form von Aufarbeitung, die die Problematik der schwindenden ZeugInnenschaft berücksichtigt und die Nachkriegsgenerationen einbezieht.